Im Schatten des Vampirs
Gestern hat unsere Koalition beschlossen, das bereits 2009 in die Koalitionsvereinbarung eingefügte Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Gesetzesform zu gießen. Wenn das so durchkommt wie von den Verlegern und der Bundesregierung vorgesehen, müsste ich für den Link auf Kai Biermanns lesenswerten Kommentar in der Zeit wohl bald tief in die Tasche greifen. Das zitieren und Verlinken von Presseartikeln soll nämlich, geht es nach den Plänen der Koalition, bald kostenpflichtig werden.
Schlimmer noch: Da durch ein Leistungsschutzrecht nicht mehr die Schaffung des Artikels an sich, sondern der Inhalt einer Meldung schützbares Rechtsgut wird, kann letztlich derjenige, der den umgefallenen Blumenkübel als erstes meldet, von allen anderen Geld verlangen. Auf die nächste Abmahnwelle gegen kleine Seiten und Blogs darf man sich also schon freuen.
Nach Nazi-Bafög nun die Nazi-Datei
Die Morde der rechtsradikalen Terrorgruppe NSU haben das ganze Land tief erschüttert. Neben der Tatsache, dass Rechtsradikale sich inzwischen so sicher fühlen, dass sie Morde begehen schockiert die Tatsache dass die Gruppe um Uwe Mundlos 12 Jahre lang völlig ungehindert morden konnte, ohne dass die Ermittlungsbehörden auch nur den geringsten Hauch einer Ahnung hatten, was da vor sich ging.
Und was fällt der Regierung dazu ein? Eine Nazi-Datei, so wie wir auch schon eine Gewalttäterdatei Sport haben, und eine Anti-Terror-Datei.
Heuchelei der Medien
In Ägypten ist Revolution. Gerade vom Joch Hosni Mubraraks befreit, hoffen viele Ägypter jetzt auf die ersten freien Wahlen, bei Protesten gegen den Militärrat kamen in den vergangenen Tagen über 20 Menschen ums Leben. Neben diesen diesen Ereignissen fällt die Aufregung um ein Bild geradezu lächerlich aus. Dennoch diskutieren tausende Ägypter, aber auch Menschen aus aller Welt derzeit über ein Foto.
Es zeigt eine junge Frau, die 20-jährige Alia Magda al-Mahdi, in einem Akt. Die junge Frau hatte das Bild aus Protest gegen die Beschneidung der Kunstfreiheit in ihrem Blog veröffentlicht. Während Konservative und Islamisten sie verfluchen, und sogar Anzeige erstattet haben, jubeln liberale Kräfte und Frauenverbände ihr zu, und loben ihren Mut.
Das Netz gehört den Schulbuchverlagen!
Zumindest wenn es nach der offiziellen Aufklärungsbroschüre geht. Im Rahmen dieser Schultrojaner Sache habe ich mal einen Blick auf die Seite Schulbuchkopie.de geworfen, die Lehrern erklären soll, welche Rechte sie zukünftig beim erstellen von Kopien haben.
Sehr spannend sind dort einige Punkte unter “Fragen und Antworten”:
Kann ich Seiten aus dem Internet herunterziehen, ausdrucken und in Klassensatzstärke kopieren?
Ja. Sofern lediglich bis zu 12 % (max. 20 Seiten) des im Internet aufgefundenen Werkes ausgedruckt und kopiert werden und es sich dabei nicht um Inhalte aus Schulbüchern oder sonstigen Unterrichtsmaterialien handelt.
NEIN-sagen zu ACTA
La Quadrature du Net haben ein Video online gestellt, in dem sie uns alle aufrufen unseren Vertretern im EU-Parlament zu sagen, dass sie gegen das ACTA-Akommen stimmen sollen.
Diesem Aufruf ist wenig hinzuzufügen:
Wissenschaft vor Gericht
Von den deutschen Medien weitgehend unbeachtet, spielt sich in Italien derzeit ein Skandal ab, der in Zukunft große Auswirkungen auf die Freiheit der Wissenschaft haben könnte.
Am 6. April 2009 ereignete sich in der italienischen Region Abbruzzen ein verheerendes Erdbeben. Mit einer Stärke von 6,3 auf der Momenten-Magnitude (5,8 auf der Richterskala ) war es das heftigste Beben in der Region seit dem Beben von Assisi im Jahre 1997. Am heftigsten traf das Beben die Stadt L’Aquilia und die umgebenden Ortschaften. Das Hypozentrum des Bebens befand sich nur 5 Kilometer vom Zentrum L’Aquilas entfernt in etwa 8,8 Kilometer Tiefe.
Cautio Criminalis
Seit dem Urteil, das Magnus Gäfgen €3.000 Schadenersatz wegen der Folterandrohung zuspricht, wird in Deutschland wieder über Folter diskutiert. Zum einen darüber, ob es richtig ist, einem Menschen Schadenersatz zukommen zu lassen, oder nicht, zum anderen darüber, ob es nicht vielleicht gerechtfertigt ist, jemanden, der einer Tat wie der Entführung eines Kindes verdächtig ist, zu Foltern.
Die Diskussion über den Sinn von Folter ist nicht neu, und manche Dokumente sind von erschreckender Aktualität. Ich habe aus diesem Anlass beschlossen, einen Text zu veröffentlichen, den eigentlich jeder, der über Rechtsstaatlichkeit und Folter als Ermittlungsmethode spricht, gelesen haben sollte: Die Friedrich Spee von Langenfeld. Als Traktat gegen die Praxis der Hexenprozesse leitete es 1631 das Ende der Hexenverfolgungen in Europa ein. Ersetzt man die Worte Hexe und Zauberey durch moderne, wie Terror oder Islamismus, wird einem schnell deutlich, wie wenig der Text an Aktualität eingebüßt hat.
Gedanken zum “Folterskandal” um Magnus Gäfgen
In den letzten Tagen ist einiges passiert, was die deutsche Volksseele aufgebracht hat. Zuerst waren da die Anschläge in Norwegen, die deutsche Politiker mit Forderungen nach Listen auffälliger Personen und anderer Einschränkung von Freiheitsrechten beantworteten, noch bevor sie überhaupt wussten was passiert war. Bei Facebook wurde flugs die Gruppe Todesstrafe für Anders Breivik gegründet (die es inzwischen nicht mehr gibt). Das Zementblog hat ein paar der Forderungen zusammengetragen, und einen sehr lesenswerten Kommentar dazu geschrieben. In den Kommentaren bei Facebook finden sich dann Kommentare wie dieser (danke an das Zementblog für das sammeln der Zitate):
Zu den Attacken in Norwegen
Aktuell spricht die Presse von inzwischen schon 84 Toten allein bei dem Angriff auf der Insel Utøya. Zusammen mit den Toten von Oslo sind das jetzt 91 Todesopfer, die zu beklagen sind.
Für Norwegen ist dieses, man kann es nicht anders nennen, Massaker ein Trauma von der Größe der Anschläge vom 9. September 2001 in New York. Dennoch erscheinen die Hintergründe andere zu sein. Nach bisherigen Informationen war hier ein Einzeltäter am Werk, der offenbar aus rechtsradikalen Kreisen stammt. Es ist möglich, dass der Täter es auch auf Premierminister Jens Stoltenberg abgesehen hatte, der eigentlich nach Utøya hätte kommen sollen, und auch in Oslo ein Büro hatte, das bei dem Bombenanschlag zerstört wurde. Vergleiche zu den Anschlägen von Oklahoma City drängen sich auf.
Yesterdays news
Normalerweise ist es kein Grund zur Freude, wenn eine Zeitung ihren Betrieb einstellt. Besonders dann, wenn der Grund nicht wirtschaftlicher Natur ist. Wie gesagt, normalerweise. Am vergangenen Donnerstag gab der Vorsitzende des Verlages News International, Rupert Murdoch, in einer Stellungnahme bekannt, dass am kommenden Sonntag, den 10. Juli 2011, die letzte Ausgabe der Zeitung News of the World erscheinen wird.
Die News of the World erschien erstmals 1843 als Sonntagszeitung im Daily Mirror.
1969 wurde die Zeitung vom australischen Medienmogul Rupert Murdoch aufgekauft, der schon zahlreiche ähnliche Blätter besaß. In der Murdoch-Ära konzentrierte die Zeitung sich noch mehr auf Prominenten-Klatsch Geschichten, und brachte einige Karrieren zu Fall. Ihrem Ruf, selbst im Boulevard-Journalismus, in dem es traditionell, vor allem in Großbritannien, besonders ruppig zugeht, zu den Rücksichtslosesten zu gehören wurde die Zeitung immer wieder gerecht. So unternahm das englische Model Caroline Cossey 1981 einen Selbstmordversuch, nach dem die Zeitung ausführlich über ihre Transsexualität berichtet hatte.